1. Veranstaltung am 5. November 2021
!BAUEN heißt HÖREN!
Rudolf Schricker
Architekten lernen von Musikern!
Zuhören! Voraushören! Klingende Entwürfe!
Rudolf Schricker ermöglicht ein Hineinhorchen in den mit flexibler akustischer Wandgestaltung ausgestatteten Konzertsaal Forum am Schloßpark Ludwigsburg und in den mit doppelt bedeutsamer Raumakustik im Hegelsaal im Kultur- und Kongresszentrum Liederhalle Stuttgart und weckt das Verständnis raumakustischer Designzusammenhänge
Prof.em. Rudolf Schricker
Stuttgart Coburg
www.schricker.de
Markus Trabusch
Raum und Bauakustik
Direkt aus dem Mainfrankentheater Würzburg, Noch-Baustelle des Kleinen Saals, begleitet von Handwerker-Klängen im Hintergrund. Der Theatersaal muss bauakustisch völlig abgeschirmt von Lärm und akustischer Beeinflussung von außen konzipiert sein. Dagegen steht Raumakustik unmittelbar mit dem Geschehen im Raum im Kontext und gibt Aufschluss über Verständnis und Sprachverständlichkeit, fungiert demnach als Transmitter zwischen Schauspielgeschehen und Zuhörerschaft. Schauspieler brauchen den Raum als Verstärker, als Unterstützer.
Raumakustik als quasi dritte Regieassistenz, muss von vorneherein funktionieren ohne zusätzliche Maßnahmen (Auswahl von Materialien und Oberflächenbeschaffenheiten). Theaterräume brauchen kurze Nachhallzeiten (unter 1 sec.) und starke, wenn es geht, variable Absorption.
Protagonisten müssen sich auch auf der Bühnen gegenseitig gut hören können (bei Proben und bei Aufführungen gleichermaßen).
Markus Trabusch
Intendant Mainfrankentheater
Würzburg
www.mainfrankentheater.de
Lukas Neuner
über den Weg vom Musikstück zum Werkstück
Jeder Raum ist ein Instrument!
Lukas Neuner stellt Musik in direkter Analogie zu Architektur, in dem er Ausdrucksformen und Sprache von Musik und Architektur verbindend gegenüberstellt: Proportionen, Volumen, Rhythmus etc.
Ein performativer Raum vermittelt Musik und Architektur als Impression an einem Ort (Beispiel: Heizkraftwerk Würzburg).
Architekt ist auch Komponist, der ein Gebäude samt freigesetzter Emotionen entwirft auf musikalischem Weg.
Raum-Buch ist gleich Regie-Buch im Sinne einer Dramaturgie des Sehens und Hörens. Klang- und Raumcharakter definieren sich durch Materialität.
Lukas Neuner demonstriert mit Klangvariationen mittels Holzblasinstrument und Saxofon und mit begleitenden Architekturimpressionen dem Zusammenwirken zwischen Musik- und Architekturtheorie am Beispiel „Fuge“.
Lukas Neuner
Brückner+Brückner Architekten
Würzburg
www.bruecknerundbrueckner.de
Christian Teichmann
Das Auge hört mit!
Mit Augen hören und mit Ohren sehen!
Raumakustik entsteht zufällig!
Am Beispiel Umgestaltung Luitpold-Bad in Bad Kissingen in ein Behördenzentrum mit zentralem Konzertplatz im Innenhof demonstriert Christian Teichmann Feingespür für Gestaltung der umrahmenden Oberflächen- und Fassadenbedingungen dieses Musikortes und schafft damit einen beeindruckenden Augen- und Ohrenschmaus unter freiem Himmel.
Nicht zuletzt durch Segel und Schirme löst sich die Differenzierung zwischen Innen- und Außenraum akustisch und optisch sehr eindrucksvoll auf.
Christian Teichmann
GKT + Partner Architekten
Würzburg
www.gkt-architekten.de
Wolfgang Sorge
Architekturwissen über Raumakustik.
Raumakustik ist integraler Bestandteil von Architektur.
Raumakustik ist immer und überall.
Wolfgang Sorge erläutert anhand verschiedener Beispiele Planungsprinzipien wie „Hören und Verstehen“ oder „Lautstärke reduzieren“ oder „Musik braucht räumliche Umhüllung“ und beschreibt damit unüberhörbar das Gestaltungsrepertoire zwischen Absorption und Reflexion bzw. fordert auf zur Balance- und Formensuche zwischen absorbierenden und reflektierenden Materialien, damit Hörgenuss möglich wird.
Fahrplan für gute Raumakustik:
- Anforderungen bestimmen
- Geometrie raumakustischer Bedingungen ermitteln
- Nachhallzeit festlegen
- Grundberechnung durchführen
- Maßnahmen planen
- Ausführung überwachen und prüfen
Prof. Wolfgang Sorge
Nürnberg
www.ifbsorge.de
Andreas-Lehmann
Ein ungewolltes Raum-Experiment
Interpretationen Scarlatti-Sonate in 22 verschiedenen Räumen
Musiker sind am Instrument (an der Maschine) unmittelbar positioniert und brauchen vermutlich Raum zum Hörender anderen.
Tempo als wichtiger Parameter jeder Interpretation.
Andreas Lehmann lässt aufhorchen indem er verschiedene Einspielungen der Scarlatti-Sonate zu Gehör bringt, jeweils von Christian Zacharias in verschiedenen Räumen über einen Zeitraum von mehreren Jahren interpretiert, und die Fragen formuliert:
- Können wir unterschiedliche Interpretationen eines Instruments voreinander unterschieden?
- Wie stabil sind solche Interpretationen in verschiedenen Räumen?
- Welchen Effekt kann ein Raum haben? Welche Rolle spielt das Tempo dabei? Spielräume?
Zu konstatieren ist aus den Hörvergleichen eine extrem hohe Stabilität hinhörlich Grundtempo und Interpretation der Scarlatti- Sonate in unterschiedlichen Räumen.
Allerdings lässt sich feststellen, dass Musiker offenbar bei Spiel im Alter eher langsamer, vielleicht auch bewusster werden, unabhängig von den Räumen.
Generell lassen sich Musiker beim Spiel und Tempo viel weniger durch die räumlichen Bedingungen beeinflussen als vermutet.
Prof.Dr. Andreas Lehmann
Musikhochschule
Würzburg
www.hfm-wuerzburg.de
Thorsten Kock
Ein Konzertsaal ist auch großes Instrument.
Räume zum Klingen bringen
Thorsten Kock erläutert sehr anschaulich und hineinhörlich die Entwicklung von Musikräumen am Beispiel des Anneliese Brost Musikforums Ruhr in Bochum vom Wettbewerbserfolg über verschiedene Experimentierphasen hin zum überzeugenden Konzertsaal – eingebettet in einem bestehenden Kirchenensemble (die Kirche in die Mitte genommen und als zentralen Erschließungsraum zwischen großem und kleinem Konzertsaal arrangiert), sind sehr persönliche und auf die Bochumer Symphoniker zugeschnittenen und komponierten Räumlichkeiten entstanden.
Der große Konzertsaal vereint zwei große Architekturakustikstrategien im modernen Konzerthausbau (Schuhschachtel- versus Weinbergterrassen-Prinzip), indem das Orchester nahezu die Hälfte des eher rechteckigen Parkettraums beansprucht, gleichzeitig jedoch eingerahmt wird durch auch in der Höhe unterschiedliche und umlaufende Emporen und Galerien für die Zuhörerschaft.
Der Konzertsaal gleicht dem Inneren eines Musikinstruments, das ein Gemeinschaftsklangerlebnis für Musiker und Zuhörer generiert; aufbauend auf dem ausgewogenen Zusammenwirken von möglichst viel Direktschallversorgung, kombiniert mit frühen Reflexionen (noch nicht als Echo wahrzunehmen) von unterschiedlich geneigten Brüstungen und Wänden, die letztlich für den „warmen“ und angenehmen Klang verantwortlich zeichnen.
Musiker hören sich mit Unterstützung des Raumes, kommen besser zum Ausdruck und brauchen sich nicht mehr länger mittels Lautstärke Gehör verschaffen.
„Volumen, Schaum und Männerfreude“
„Die Musik spielt an der Decke“ – akustisches und optisches Decken- Screening im großen Konzertsaal, indem für die Augen der Raum in guter Proportion erscheint, für die Ohren erforderliches großes Raumvolumen gut hör-, aber unsichtbar wirken lässt. Das Repertoire der Bochumer Philharmoniker umfasst besonders spätromantische Musik – ausdrucksstark, laut – großes Orchester – großer Raum.
Deckenscreen besteht aus dreifacher Überlagerung von Holzstabelementen, die optische Begrenzung und Interferenzen erzeugen, gleichzeitig akustisch notwendiges Raumvolumen gewährleistet. Folge: optische Begrenzung des Raumes; akustische Raumerweiterung.
Thorsten Kock
Bez + Kock Architekten
Stuttgart
www.bez-kock.de
Christian-Pabst
Akustik, Klang und (Instrumenten)Bau
Für den Instrumentenbau spielen verschiedene Aspekte große Rollen: Klangvorstellungen – historisch, zeitgenössisch, zukünftig
Eigene Klangvorstellung und der jeweiligen Musiker
Wandel der Klangvorstellungen
Abhängig vom Kulturkreis
Erwartungen an den Klang eines Streich-Instruments im Dialog mit dem Musiker:
- Ausgeglichenheit
- Lautstärke
- Obertonspektrum
- Dynamik
- Modulationsfähigkeit
- Tragfähigkeit etc.
Instrumentenbauer und Musiker finden eine gemeinsame Begrifflichkeit, eine gemeinsame Verständnissprache.
Faszination Violine:
- Schlichtheit im Bau
- Einfaches Design (Reduktion)
- Tonspanne von ca. 4 Oktaven
- Ausdrucksvielfalt
Korpusformung, -größe und -dimension stehen in Abhängigkeit zu den erzeugenden Frequenzen. Auch Holzart und -stärken spielen eine große Rolle.
Meßmethoden und Nachweisbereiche:
- Helmholtz (erste Korpusresonanz)
- Griffbrettresonanz
- Klopfton
- Gewicht
- Biegesteifigkeit
Christian Pabst
Geigenbaumeister
Würzburg
www.violoni.org
Normen-Langner
Materialien klingen!
Materialien brauchen Impulse
Materialien reagieren auf Schwingungen und Frequenzen sehr individuell
Impulse können sein: Klopfen, Sprechen, Musizieren – aber auch Maschinen, Bewegungen etc.
Normen Langner nimmt die Teilnehmer/innen mit auf einen akustisch aufmerksamen Rundgang durch die Räume der Hochschule.
Räume mit verschiedenen harten oder weichen Oberflächen, reflektierende und absorbierende Materialien an Raumbegrenzungsflächen, erzeugen, ausgelöst durch Bewegungen und erzeugten Frequenzen, verschiedene Klangmilieus, die abhängig von Raumvolumen, Nachhallzeit (Absorptions- und Reflexionsvermögen) und Lautstärke, sehr eindrucksvoll in sehr unterschiedlicher Sprachverständlichkeit angenehm oder eben unangenehm wirken.
Materialien können als Porenabsorber
- Membranabsorber
- Resonanzabsorber
- Helmholtzabsorber
wirken.
Bernhard Roth
Hörvorgänge
Aus medizinischer Sicht
Am dreidimensionalen Hörmodell erläutert Dr. Christian Roth komplexe Vorgänge und Funktionen im menschlichen Ohr.
Ohren sind offenbar Transmitter und Modulatoren zwischen physiologischen und neurologischen Vorgängen, die mit dem Hörvermögen der Menschen zusammenhängen.
Akustische Impulse aus der räumlichen Umgebung gelangen
physiologisch ambitioniert als Schwingungen in die Ohren, regen das Trommelfell zum Mitschwingen in der entsprechenden Frequenz an, werden weitergeleitet durch die mit Flüssigkeit angefüllte Hörschnecke (Innenohr) und dort über komplizierte Transformationen und Modulationen in elektrische Impulse umgewandelt, alsdann in neuronal codierte Informationen weitergeleitet ins Hörzentrum im Gehirn. Dort wird das Gehörte interpretiert und entweder als „Stress“ oder als „Entspannung“ identifiziert und beeinflusst mit den entsprechenden Hormonausschüttungen das Verhalten in Folge.
Hörfähigkeit ist ein Dynamischer Prozess, der alters-, geschlechts- und verhaltensabhängig steter Veränderung unterworfen ist. Hörschäden sind irreversibel.
Hören ist ein individuell interpretierbarer Vorgang.
Jeder hört anders.
Und die ausgelösten Gefühle und Emotionen sind stets eigen.
Dr.med. Bernhard Roth
HNO Arzt
Würzburg
www.hno-wuerzburg.de
Bernd Kremling
Raum macht Musiker gnadenlos hörbar
Ein Raum, der toll klingt, braucht exzellente Musiker
… und aufmerksame Zuhörer
Bernd Kremling, Percussionist von Weltruf, begleitet seine verbalen Ausführungen mit dem Holzinstrument Cajon,
schafft damit spielend Schlussakkord und Lust auf mehr im Sinne von Zugabe.
Ein sehr frühes und prägendes, akustisches Schlüsselerlebnis schildert Bernd Kremling in seiner Erinnerung (noch als Student) aus dem Prinzregentenbau in Bad Kissingen: volles Klangvolumen durch das alte bewährte Schuhschachtel- Prinzip (1x1x2 BreitexHöhexLänge) und durch eine Reflexionsbreite der Ornamentmaterialien.
Ein aktuelles Klangerlebnis aus der Elbphilharmonie in Hamburg: eine ungewöhnliche Erfahrung für einen Musiker: Zuschauer auch im Rücken und damit nicht zu sehen. Der Saal ist perfekt und klingt analytisch zu gut und zu genau; lässt damit keine Fehler zu. Fazit: Raum macht Musiker gnadenlos hörbar. Ein Raum, der toll klingt, braucht sehr gute Musiker und aufgeschlossene, aufmerksame Zuhörer.
Als Musiker beurteilt er Räume nach den 3W-Indikatoren:
- Wohlfühlen
- Wohlhören
- Wow-Effekt
Bernd Kremling
Dozent für Perkussion
Würzburg
www.bernd-kremling.de
Komplette Veranstaltung
Veranstaltung vom 05.11.2021
Laufzeit 3h 36min